Donnerstag, 4. August 2016

Wenn Kleinigkeiten die Welt bedeuten

Tag 21

Vor genau 3 Wochen haben wir uns auf den Weg gemacht - heute schon neigte sich unsere Reise dem Ende zu. 21 Tage voll von Eindrücken, Abenteuern und dem Genuss des einfachen Lebens. Das wollten wir zumindest noch für ein paar Stunden auskosten, bevor wir uns voll und ganz der Hektik der deutschen Autobahn hingeben würden. Gleich, nachdem Frau Sonne uns geweckt hatte, schleuderten wir uns ein paar Spitzer Wasser ins Gesicht um wach zu werden. Ein kleines Frühstück und danach Tiefenentspannung am Chiemsee. Kein Wölkchen am Himmel, blanker Sonnenschein, ebenso wie mancher Po der Pampersbomberfraktion, heute mal unten ohne, dafür mit einer Plastikschaufel bewaffnet den Enten hinterher jagen. Nur ein paar Frühmenschen teilten sich die Teppich aus grüner Wiese und Seeblick mit uns.

Meine Zehen überschritten das Ende der Picknick-Decke, die wir auf dem weichen Rasen ausgebreitet hatten. Sanft krallten sie sich in die ausgestreckten Grashalme, zogen sie sanft nach oben. Die Augen vertieft in ein Buch, die Sonnenbrille auf der Nase, die von Zeit zu Zeit einen tiefen Zug der frischen Sommerluft einsog, der Duft des kühlen Seewassers lag in der Luft. Manchmal blickte ich auf und sprach den Menschen, die sich so zeitig schon in das kalte, kristallklare Seewasser trauten, blickhaft tiefste Bewunderung zu.

Bald aber sehnte auch ich mich nach einer Abkühlung, denn die Temperaturen schossen auf einmal kanonenartig in die Höhe. Zunächst so auf die Erfrischung gefreut, stand ich plötzlich am Ufer und starrte die schwappenden Wellen an, wie sie sich zwischen den Kieselsteinen verloren. Mit dem großen Zeh fühlte ich vor und zog ihn direkt wieder zurück. Junge, Junge, ist das kalt! Hätte ich meine Latschen noch angehabt, wäre ich sicherlich aus ihnen gekippt. Aber man wollte sich ja nicht mädchenhaft anstellen. Also nahm ich einen gewaltigen Atemzug, hielt ihn an und marschierte hinein. Bis zu den Knien war das nicht weiter ein Problem, doch bereits dann schon ging mir die Puste aus und ich musste erneut Luftholen. Bald stand ich mit dem halben Körper unter Wasser und war schon eine Spur stolz, bis Danilo mir einen fordernden Blick zuwarf. "Nun ja, ist ja schon gut". Der dicke Otto, der soeben noch die Temperatur gemessen hatte und den Badegang als unmöglich und zu riskant eingestuft hatte, gab unterdessen gar kein Lebenszeichen mehr von sich. Dreiviertel meines Körpers hatten es nun schon geschafft, doch jetzt folgte noch die größte Überwindung: die Schultern unter Wasser zu bringen. Je mehr man doch darüber nachdenkt, desto unmöglicher erscheint es einem den letzten Gang zu machen, die Arme nach vorn zu strecken und mit einem kleinen Abstoßer mit den schon abgefrorenen Füßen Schwimmposition einzunehmen. Drei...zwei...ei...Atmen, atmen, atmen!...NS! Drin! Stolz wie ein König paddelte und ruderte ich wild umher und freute mich, dass ich den Schweinehund besiegt hatte, auch wenn es sich hierbei lediglich um ein Bad im Chiemsee handelte.

Nach der kleinen Planscheinlage meldeten sich bald unsere Mägen. Der Blick in unsere Geldbörsen war jedoch ernüchternd. Dennoch wagten wir den Gang zum Seerestaurant. Mit dem letzten Kleingeld, das wir zusammenschmissen, bestellten wir uns eine Portion Lachs und Kartoffelsalat, die wir uns wie zwei arme Wanderer teilten. Doch die Bedienung hatte ein großes Herz und gegen ein paar Münzen aus Nordischem Gold gab es einen Extraschlag Salat. Den ließen wir uns auch zweimal schmecken! Jetzt war es langsam aber sicher an der Zeit die Zelte ein letztes Mal abzubrechen, Flip startklar zu machen und die letzten Kilometer Asphalt zu schrubben.
Die Stimmung war etwas betrübt, wie das eben so ist am "Heimfahrtag", doch gleichermaßen es aus eben diesem Grund recht ruhig im Auto war, bis auf das Radio, das eine Staumeldung nach der anderen ausspuckte, war jeder von uns auch damit beschäftigt, die vielen tollen Momente und audio-visuellen Erlebnisse Revue passieren zu lassen. Man konnte sich nicht so richtig entscheiden, ob es sehr lange oder sehr kurze 3 Wochen waren. Viele Gedanken, die uns die vielen Stunden auf der Autobahn verschönerten. Da konnte selbst der einbrechende Monsunregen nichts dagegen ausrichten. Ebenso, wie wir Deutschland vor ein paar Wochen verlassen hatten, so zeigte es sich nun auch wieder von seiner nassen Seite.

Es war noch hell, als wir das letzte Ortsschild hinter uns ließen. Heimat. Der Regen hatte sich ausgeregnet, nur ein unglaublicher Sonnenuntergang begrüßte uns hier und sorgte dafür, dass man sich nun doch freute "zu Hause" zu sein.
Gibt es denn jetzt auch ein Fazit zu der ganzen Geschichte? 
- Na, was glaubt ihr denn!

Nun ja, ich möchte nicht undankbar klingen, wenn ich sage, dass 3 Wochen nicht unbedingt eine lange Zeit sind, um auf Reisen zu gehen. In der Regel bin ich kein großer Freund von Urlaubsagenden und Akkuratesse, doch in unserem Fall waren wir darauf angewiesen einen Plan zu haben und uns mehr oder weniger daran zu halten. Nur so konnten wir jeden Tag etwas Unglaubliches erleben. Und das hatte sich wohl auch mehr als gelohnt!

Wie schon so oft zu vor bin ich auch dieses Mal wieder begeistert, was ein Ausflug in das bescheidene Leben, das Hausen in einem VW Passat, das Wildcampen, das Freuen über dreilagiges Toilettenpapier in öffentlichen Toiletten, der Genuss einer wenigstens lauwarmen Dusche bewirken kann und welche ungeahnten Überraschungen es mit sich bringt. Wenn Kleinigkeiten die Welt bedeuten. Wenn man auf ein gutes Essen gerne einmal eine Stunde wartet. Wenn man Kinderlachen nicht als Krach empfindet. Wenn man Fremden einfach so ein Lächeln zuwirft und es entgegnet wird. Wenn ein Blick in die Natur Gänsehaut verursacht. Wenn man sich über die ersten Sonnenstrahlen des Tages freuen kann, anstatt den Rollladen runterzuziehen. Wenn eine tote Autobatterie an einem Sonntag den Erfindergeist statt blanke Verzweiflung weckt. Wenn Bohneneintopf aus der Dose schmeckt - ja dann scheint irgendetwas verdammt richtig zu laufen.

Auch wenn wir von den Kulturen der durchreisten Länder eher wenig mitbekommen haben, so haben wir dennoch ihre Schönheit und Einzigartigkeit verstanden. Wir haben viele Menschen getroffen, die uns gezeigt haben, dass Nichtigkeiten nichtig bleiben sollten und gelernt, dass nur ein wenig Aufwand und Mut dazu beitragen kann fantastische Dinge zu erleben.

Dass es überall hektische Menschen, aufgebrachte und gestresste Touristen gibt, die den Empfehlungen ihres Reiseführers hinterher hechten und uns kleine Menschen dabei über den Haufen rennen, das weiß man. Aber all die Orte zu meiden, an denen man wahrscheinlich auf sie trifft? Das ist auch nicht immer die Lösung. Es ist eine Sache der Einstellung. Manchmal muss man sich dazu zwingen die Lage sachlich und relaxt zu sehen. Wenn alles nichts hilft, dann hilft der Umweg, "denn wenn die Masse nach rechts rennt, muss man bloß nach links abbiegen" und wenn man sich an dieser kleinen Regel orientiert, kann man wirklich genießen und entdecken. Idioten und Rücksichtslosigkeit gibt es eben überall. Auf Reisen und auch im normalen Leben gilt die Kunst des Fuck-you-Status. In der Regel lohnt es sich nicht, sich über dumme Leute aufzuregen oder gar zu diskutieren. Wenn man keinen Profit daraus ziehen kann, dann lässt man es sein, whatever und gibt den "Fuck-you"-Status frei. Einfach ruhig bleiben, mit einem überlegenen Lächeln ignorieren, Blick abwenden und die Situation umkehren. Das muss man lernen und sich eintrichtern, doch dann wirkt es Wunder.
Am Ende von der Geschichte bin ich wahnsinnig froh, dass es möglich ist, sich so frei und unbekümmert durch mehrere Länder bewegen zu können und dass sowohl Danilo als auch ich dafür gemacht sind, uns auch auf engstem Raum zu verstehen und wohlzufühlen. Die nächste, dieses Mal auch größere Tour für nächstes Jahr ist schon in Planung. Doch zuvor gehen wir ein paar Schritte in getrennte Richtungen, denn ich verziehe ich mich für ein halbes Jahr nach Porto, um mein Auslandssemester zu absolvieren. Ich bin schon sehr gespannt auf eine Reise in ein fremdes Land zu gehen, bei der ich an ein und demselben Ort bleiben werde, anstatt durch das Land zu nomaden.  

Viele Abenteuer erwarten uns in 2017 dann gemeinsam und wir sind heute schon total gespannt, wohin der Wind der Veränderung und führen wird. Doch bis dahin müssen noch einige Schweißperlen fließen und Aufwand betrieben werden. Ihr hört von uns!

Mittwoch, 3. August 2016

Salzburg.

Tag 20

Freilassing war nicht wirklich ein Fleck Erde, an dem man bleiben wollte. Zumindest nicht für uns. Drum sahen wir zu, dass wir auf ein ausgiebiges Frühstücksritual verzichteten und lieber eine Station weiterfuhren - nach Salzburg.

Salzburg. Eine Stadt von der man schon so viel gehört hat. Mit all seinen Schlössern, Edelhäusern und Festungen. Die Geburtsstätte Mozarts und Heimat der so beliebten, gleichnamigen Mozartkugeln. Bekannt für seine Festspiele, schauspielerischen und musikalischen Künste. Heute wollten wir doch mal sehen, ob Salzburg wirklich das ist, was man sich so erzählt.

Zunächst gab es ein Problem. Stadt und Auto - zwei Komponenten, die nicht immer gut zusammenpassen. Auch in unserem Fall stellte es sich als eine ausgedehnte Schwierigkeit heraus unseren Flip für ein paar Stunden loszuwerden. Erst nach einigen Schleiffahrten und Irrwegen fanden wir eine Lücke, in die wir unsere Pension auf vier Rädern abstellen konnten. Ab hier ging es dann also zu Fuß weiter in den Kern der Stadt. Schon auf dem Weg bemerkten wir, dass es sich hier um eine Stadt handelt, die sehr von ihren Besuchern profitiert. Edele Pferdekutschen, die durch die Straßen und gepflasterten Gassen rollten, während der Kutscher den Passagieren historisch wertvolle Informationen zuposaunte. Dicht hinter ihnen stets ein Mann mit Besen, Schaufel und einem Schubwagen, der die Pferdeäpfel aufsammelte. Maler am Straßenrand, die gegen Kleingeld Portraits von jedermanns Nase zu malen versprachen. Straßenmusiker, die an den Magnetpunkten der Stadt ihr musikalisches Können unter Beweis stellten und das, weiß Gott, mit großem Erfolg und Gänsehautpotential. Doch neben all diesen attrahierenden Ablenkungen wollten wir doch auch sehen, was hinter der vom Tourismus geformten Fassade steckte.

Wenngleich die Zeit recht knapp war und wir ohne jeglichen Plan loszogen, entpuppte sich die sogenannte Mozartstadt als wahrer Schatz und weitaus mehr als ein bloßer Punkt aus der Reihe "1000 places to travel before you die". Hinter den Postkartenständern und Souvenir-Magnettafeln versteckten sich architektonische Meisterwerke. Damit meine ich nicht die jenen modernen Bauten, mit ihren, zumindest aus Sicht meines ungeschulten Auges, unförmigen und übertriebenen Ausschweifungen, die eher nach einer Mischung aus einem Ausrutscher mit dem Lineal auf dem Zeichenbrett eines Bauzeichners und einer russischen Raumstation aussahen. Das ist natürlich rein subjektiv empfunden. Ich spreche von den alten Gebäuden, Häusern, Kirchen, Schlössern. Von den bröckelnden, imperfekten, von Geschichten sprechenden Gebilden aus Stein und Stolz. Natürlich bleibt da auch eine Erwähnung der berühmten Getreidegasse nicht aus. Wir sprechen von einer schmalen Straße, umzingelt von Häuserreihen mit verzierten Fensterrahmen, Stuck, Giebeln und Erkern. Zunftzeichen, die sich über unseren Köpfen präsentierten. Zwar haben sich die Aufschriften dieser über die Jahre inhaltlich sehr verändert, heute werben Marken statt Berufe, doch verleihen sie nach wie vor ein verträumtes, altertümliches und zugleich verspieltes Ambiente. Abgesehen davon, dass sich vor allem hier die Menschenmassen tummeln, ist die Getreidegasse jeden Schritt, jeden Blick und jedes gelegentliche Drängeln wert. Einfach zuvor ein paar tiefe Züge Salzburger Luft einatmen und die Anderen ringsherum vergessen.

Neben der Getreidegasse gibt es natürlich noch zahlreiche Seitengassen und Wege, für die sich nur die Wenigsten interessierten, uns aber somit umso mehr lockten. Hier lag der wahre Charme der Stadt, verborgen in manch dunkler Ecke, für viele nicht sichtbar, eben nur für die Suchenden unter uns. Die verschwiegenen, abgelegenen Orte, die aus ihrer Unwichtigkeit und Unscheinbarkeit heraus auf wundersame Weise für den ein oder anderen magisch sind. Sei es nur, weil ein alter Stuhl, dessen zerfledderter Lack in Fetzen von dem verwitterten, gebrechlich wirkenden Holz herabhängt, verlassen vor einem unlebendigen Hauseingang steht, auf dem vielleicht einst eine alte Gestalt gesessen haben mag und gedankenversunken in die weite Leere der Gassen gestarrt hat. Ein rostiges, in die Jahre gekommenes Fahrrad, das seinen Besitzer vor geraumer Zeit meilenweite Strecken begleitet und transportiert hat und nun abgestoßen, an ein Eisentor oder eine Laterne gekettet, bis in die Ewigkeit verweilt, bis auch die letzte Speiche aus den Rädern brechen wird. An diesen Orten bilden sich Geschichten und Sagen. Motive für Künstler mit dem Blick für das gesellschaftlich Belanglose. Vielleicht sind sie deshalb verlassen, gleichzeitig aber so lebendig und interessant.

Abgesehen von all den Attraktionen und geheimen Plätzen hat es mir besonders aber ein Platz angetan. Ich spreche vom Petersfriedhof. Niemals hätte ich gedacht, dass ich einen solchen Ort einmal mit den Worten "malerisch" und "romantisch" bezeichnen würde. Aber genau das war er. 
Mit seinen königlich angelegten Grabstätten, ehrfürchtigen Gruftarkaden und Katakomben. So viel Liebe zum Detail steckte in jeder einzelnen Ruhestätte. Kunstwerke der Steinmetzerei, eine strahlende Blumenpracht, ein Meer aus Rosenstöcken, die die nostalgischen Grabkreuze umschwärmten. Ebenso versetzte mich die einzigartige Lage des sich am Fuße des Festungsberges ausbreitenden Begräbnisplatzes ins Staunen. Auch wenn mir die Namen all der hier Begrabenen so absolut nichts sagten, fühlte ich mich dennoch hingezogen und berührt. Nicht nur mich fesselte diese unvergleichliche Atmosphäre, schon im 19. Jahrhundert war der Friedhof auf Grund seiner Besonderheit ein beliebtes Thema der Dichtung und Malerei. Da es leider dutzende Besucher gab, die die fotografische Dokumentation jedes einzelnen Grabsteins, jeder Blüte und jeder partikelgroße Goldverzierung höher prioritär einstuften, als sich mit der Pracht und Emotion selbst auseinanderzusetzen, habe ich mich bewusst, und auch aus Gründen des Respekts, dagegen entschieden meine Kamera nach Betreten des Hofes einzuschalten. Lieber behalte ich die Bilder, die meine Netzhaut eigens produziert hat, in meinem Kopf.

So. Genug Gefühlsduselei. Jetzt einmal zum faktischen Ergebnis. Salzburg hat eigentlich all das, was ich unter einer schönen, lebenswerten Stadt verstehe. Es gibt eine tolle Altstadt, Straßenmusik und -kunst, viel Geschichte, verwinkelte Ecken, einen Fluss, die Art von winzigen Cafés und Restaurants, die eine urbane Idylle von einer gewöhnlichen Stadt unterscheidet, und natürlich Frozen Yoghurt, dem ich absolut verfallen bin. Es gibt wahnsinnig viel zu sehen, wenn man den so will. Jedoch macht die Stadt der Festspiele eher den Eindruck, als sei sie einzig und allein des Tourismus wegen entstanden, was natürlich nicht ganz richtig ist. So viele Veranstaltungen und Sehenswürdigkeiten locken jährlich eine beachtliche Anzahl an Schaulustigen an, mitunter natürlich auch uns, sodass es den Anschein macht, ein tatsächliches Leben sei hier gar unmöglich. Etwas störend empfand ich die Leute, die man leider immer häufiger findet. Sie tragen fesche Klamotten und flotte, sportliche Sneakers, sind aber schier unfähig mit ihren einhundertundzwanzig Euro teuren Tretern auch nur eine Treppenstufe selbstständig hinaufzusteigen und bevorzugen stattdessen einen bequemen Transport, markelosen Service - man möge ihnen doch bitte ein kühles, zuckerfreies Erfrischungsgetränk gegen die unerträgliche Hitze reichen - und den Hintern gepudert zu bekommen. Wer nicht gehorcht, bekommt einen Satz mit dem Selfie-Stick verpasst. Drängeln, Nörgeln, Schnuten ziehen. Eine ganz seltsame Entwicklung einer Spezies, die man immer öfter an eben solchen Plätzen antrifft. Doch wenn sich eine Touristenattraktion ankündigt, macht sich ein kinderlächelndes Strahlen in den Gesichtern breit, bis das teure Make-up zu bröckeln beginnt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss auch ich schmunzeln. Sie wollen mehr sehen, mehr erleben, mehr sein, stecken ihre Nasen in renommierte Reiseführer mit Auszeichnung und rennen schirmtragenden, menschlichen Kassettenrekordern hinterher, die Tag ein Tag aus fremden wissbegierigen Touristen die Geschichten ihrer Stadt herunterpredigen. Inszeniertes Leben und vorgetäuschter Alltag. So habe ich leider nicht herausfinden können, wer oder was Salzburg tatsächlich ist. Dafür war vielleicht auch einfach die Zeit zu knapp. Fest steht aber, dass ich gerne hier war und den sonnigen Tag und die tausenden, sehr speziellen Eindrucke, die ich mit nach Hause nehmen werde, sehr genossen habe!




Nun war es genug mit Stadt und Leuten, es wurde Zeit Österreich zum vorerst letzten Mal zu verlassen und den endgültigen Heimweg anzutreten. Nur eine letzte Station war noch offen. Wir fuhren in Richtung Chiemsee, der uns an diesem heißen Tag eine willkommene Abkühlung bringen sollte. Nach einigen Kilometern erreichten wir den See und hielten nach einem schönen Platz Ausschau. Den fanden wir auch in Prien. Ein geniales Fleckchen direkt am See mit einem gewöhnlichen Parkplatz für Badegäste, der nach 18 Uhr auch als Campingplatz genutzt werden konnte. Gut, dass wir relativ früh dran waren und uns einen Stellplatz für 10 Euro sichern konnten.

Faszinierend war, dass es andere Camper gab, die sich genierten diese verhältnismäßig kleine Gebühr an die überaus freundlichen und hilfsbereiten Besitzer zu zahlen. Es waren, dem Klischee entsprechend, jene, die die dicksten Wohnmobile fuhren. Manche von ihnen sausten schon davon, als die Dame mit dem Klingelbeutel kam und tauchten erst dann wieder auf, als die Dunkelheit ihnen Schutz gab. Das alles nur, um nichts zahlen zu müssen. Dabei hatten sie hier einen unschlagbaren Platz mit Seeblick, Toilette und Schatten gegen die Morgenhitze. Zugegeben erschlichen Danilo und ich uns auch gelegentlich Dinge, wie beispielsweise eine Dusche auf einem fremden Campingplatz, doch dabei kommt ja auch niemand zu Schaden. Wen interessiert es auf einem solchen Arial denn schon, ob 10 oder 15 Liter Wasser mehr verbraucht wurden oder nicht. Den kleinen Leuten jedoch das Geschäft durch persönlichen, übermäßigen Geiz an falscher Stelle kaputt zu machen, das ist nicht richtig. Aber in solchen Fällen kümmert sich wahrscheinlich das Karma um den Rest.

Bevor die Sonne ihre letzten Sonnenstrahlen einpackte und verschwand, lagen wir noch ein paar Stunden faul auf unserer Picknickdecke am See herum, schmausten Leckereien, Danilo wagte sich sogar in das eiskalte Wasser. 

Ein Abendspaziergang am Ufer mit Sonnenuntergang und glühenden Bergen am Horizont stimmte uns in die Weiten der Entspanntheit und machte uns allmählich müde. 
Vieles hatten wir heute gesehen und erlebt. Jetzt würden wir uns, zum letzten Mal, in die bequemen Laken in Flip kuscheln, bevor morgen der letzte Tag und die Heimfahrt auf uns wartete.

Dienstag, 2. August 2016

Sinnesorgane

Tag 19

Augen auf und raus aus den Federn! Der Watzmann wartet!
Nach einem gesunden Müsli-Joghurt-Frühstück banden wir die Schnürsenkel unserer "Wanderschuhe" fest, schnallten die Rucksäcke auf den Rücken, zogen alle Striemen stramm und los. Wir hatten ja keine Ahnung, dass der erste Wanderweg zur Grünsteinhütte einen Herz-Kreislauf-Fitnesstest umfasste. Na dann, guten Morgen auch!

Ab und an fiel mir ganz schön die Puste und heute war es auch nicht gerade kalt, also kam ich nach nur wenigen Minuten ganz schön ins Schwitzen. Auch die Wanderausrüstung ließ zu wünschen übrig. Unsere guten Wanderschuhe staubten zu Hause ein, während wir uns mit unseren ausgelatschten Straßenschuhen zufrieden stellen mussten. Flip hatte leider keinen Millimeter Stauraum mehr für richtige Schuhe hergegeben und so mussten unsere Vans herhalten. Mit ein paar Ausfallschritten, Schweißperlen auf der Stirn und keuchend und schnauben erklommen wir also die erste Hütte und rasteten für eine Weile. Der Blick durch die Gipfel zeigte uns den Königssee, der Dank des klaren und sonnigen Wetters heute in ganz neuen Farben erschien. 

Die so eben noch gehabte Schnappatmung verlangsamte sich, der Puls ging Richtung Normalfrequenz, nun konnte es weitergehen. Als Sahnehäubchen zu dem hier schon tollen Ausblick wollten wir nun den Grünsteingipfel erklimmen. Nach einer guten Viertelstunde war auch das geschafft und Freunde, das hat sich gelohnt! Kaum oben angekommen, fiel all die Anspannung im Gesicht und der Druck auf den zusammengepressten Zähnen ab, die Anstrengung löste sich und die Augen wurden groß von der unfassbaren Aussicht, die wir jetzt genießen durften. Wohin das Auge reichte, grüne, weiche, samtige Wiesen, Blumen in allen Farben, auf denen dicke Hummeln thronten, schlumpfblauer Himmel und der gelbe, große Ball, der sogar unseren Endorphinen selbst Glücksgefühle bereitete. Ein Zustand der vollkommenen Freude und Dankbarkeit. 





Für eine halbe Stunde bewegten wir uns nicht vom Fleck, sahen andere Wanderer kommen und gehen. Uralte, wacklige Gestalten, die sich jeden Zentimeter Anstieg gemeinsam ans Ziel erarbeiteten, sich gegenseitig die letzte Kraft teilten, um dann auch in die gleiche Gefühlslage, man kann schon fast von Trance reden, zu verfallen, in der wir uns gerade befanden. Wo man eben noch bangte, dass diese alten Leutchen nicht gleich das Zeitliche segnet, weil sie jegliche Lebensgeister eingesetzt hatten, um die letzte Steigung zu bewältigen, strahlte jetzt das blühende Leben, als könne ihnen rein gar nichts etwas anhaben. Der gequälte und verbissene Ausdruck war verschunden, dafür umgab sie nun ein Schein der Unsterblichkeit. Faszinierend waren auch die Kletterer. Während wir uns auf gesicherten Wegen an den Rand unserer Möglichkeiten getrieben hatten, waren die 4 Franzosen die gesamten Höhenmeter an den steilen Felswänden hinaufgeklettert. In voller Montur kamen sie plötzlich aus dem Nichts den Gipfel hinaufgekrochen und freuten sich auf ihre wohlverdiente Mittagspause.

Die Lungen vollgepumpt mit tiefenfrischer Bergluft und gefülltem Energiespeicher fanden wir Elan den nächsten Wanderweg zu besteigen. Dieser führte uns, weit entspannter als der erste Marsch, auf die Kühroint-Hütte. 
Diese Hütte, und ich verfalle jetzt noch in pure Euphorie, wenn ich nur an sie denke, war das, was sich ein jeder Wanderer nur erträumen kann! Zunächst eine Berghütte mit Schlafmöglichkeiten, einem Restaurant und erstklassiger Sicht auf den wehrten Watzmann. Knapp daneben eine weitere Holzhütte mit Hängematte, Kühen und Kälbern ringsherum, so aufgeweckt und aktiv, dass man sich ein herzhaftes Lachen nicht verkneifen konnte. Bocksprünge, Zungenakrobatik, die ersten Muh-Versuche und wildes Kälber-Getobe in luftigen Höhen.





Wir hätten für immer hier bleiben und das Spektakel ansehen können. Doch unser Wandertrip war hier noch nicht zu Ende. Den Watzmann selbst konnten wir mit unserer Ausrüstung nicht bezwingen. Leider. Aber dennoch, ein weiteres Ziel hatten wir noch: die Archenkanzel.
Der Weg war recht einfach und angenehm zu laufen. So hatten wir massig Gelegenheit die Natur zu beobachten und zu bestaunen. Wie lebendig und gleichzeitig ruhig es hier oben war. Blieb man kurz stehen, so hörte man nichts. Doch wenn sich die Ohren an die Stille gewöhnt hatten, dann hörte man das Rauschen in den hohen Ästen, das Summen der winzigen Flügelchen der Bienen und Hummeln, das entfernte Klingeln der Kuhglocken, das uns verriet, dass auch hier wieder irgendwo eine Herde Gras kauender Dickhäuter den Rasen mähten und dabei frische Milch produzierten. 


Ja, hier war einer der Orte, an denen man all seine Sinnesorgane gleichzeitig einsetzen konnte. Plötzlich war die Hirnrinde ganz schön gefordert all die Informationen zu verarbeiten, die in wahnsinniger Fülle und Schnelle hineindrangen. Hier war die Luft dünn und rein. Der Stress und der Alltag, die die Poren unserer Gehirne im normalen Leben verstopfen, waren weit entfernt und endlich konnten die Gedanken ganz frei und unbeschwert durch die Hirnzellen tanzen und Eindrücke formen. Der Thalamus war ganz und gar auf die Schönheit der Berge und Natur fixiert. 

Hören - Die Stille der Berge. Das Zwitschern der einzelnen Vögel, die ihre Freiheit genießen. Das sanfte Knacken der Äste, die sich unter unseren Schuhen verbiegen und brechen. Das Schlagen der watteweichen, gepuderten Schmetterlingsflügel.

Sehen - Den unendlichen Farbkasten der Natur. Farbnuancen. Farbspiele. Die Macht und die Gewalt der Berge, dieser kolossalen, in den Himmel ragenden, spitzen, grauen Giganten.

Riechen -  Die kalte, reine Bergluft. Den Duft der Blumen und blühenden Sträucher. Den feuchten, weichen Waldboden, bedeckt mit Nadeln und Laub. Das klamme Moos auf den Steinen am Wegesrand und an den Felswänden. Hier und da auch mal der Geruch eines Kuhfladens - auch das gehört dazu.

Fühlen - Den weichen, federnden Waldboden. Das flaumige Moos, auf dem sich die kleinen, glänzenden Tautropfen ausruhen. Die schwerelose Luft, durch die ich meine Arme schwinge. Die leichte, korkige Baumrinde in ihrer makellosen Struktur.

Schmecken - Ja, sogar schmecken kann man diesen besonderen Ort. Wobei sich der Geschmack ganz schwierig beschreiben lässt. Er schmeckt nach Frische, die durch die schattenspendenden Bäume und Blätter abgegeben wird. Auch eine Idee an feuchtem Holz lässt sich herausschmecken. Er schmeckt nach langen, saftigen Grashalmen und süß wie Blütenhonig. Er schmeckt nach nichts und doch nach allem. Und wo wir schon bei schmecken sind - eine Bergwanderung schmeckt natürlich auch nach einer herzhaften Mahlzeit:

Jetzt aber zurück zur Archenkanzel:


Unser Ausflug näherte sich dem Ende und wir mussten den Abstieg antreten. Der war mit solchem Schuhwerk beschwerlicher als gedacht. Mehr rutschend als gehend verloren wir an Höhenmetern. Beim Versuch die Balance zu halten, wurden plötzlich Muskelpartien angesprochen, die man so eher wenig benutzte und so konnten wir uns morgen bestimmt auf einen saftigen Muskelkater einstellen.

Auf der Hälfte des Weges trafen wir auf eine junge Dame, die wohl irgendetwas zu suchen schien. Von weitem schon hatten wir sie gehört, nun kam sie uns immer näher und rief lautstark den Pfad hinauf. Erst jetzt erkannten wir, dass sie nach den Kühen rief, die hier lagen und ihr Leben genossen. Was die Dame da rief, waren nicht etwa irgendwelche Namen oder Kommandos, es war das Lied zum Eintreiben der Herde, durch das die Leitkuh, eben jene mit der großen Glocke am Hals, sich erhebt und die anderen Kollegen ihr folgen. So in der Theorie. Die junge Frau war nur eine Vertretung für die eigentliche Sängerin, die die Herde normalerweise mit lautem Gesang von der Wiese lockte. Doch die war zurzeit im Urlaub und so versuchte ihre Vertretung mit Glück und Mühe die gemütlichen Tiere zum Marschieren zu bewegen, was nur mäßig gelang.



Was sie wohl denken mag...?

Wir schlossen uns an und folgten Vieh und Frau im Gleichschritt. Doch irgendwann lösten wir uns von unseren liebgewonnenen Freunden und gingen einen Schritt schneller, um bald wieder unten abzukommen.
Unten heißt hier immer noch auf guter Höhe, doch hier stand Flip und brachte uns zurück ins Tal.

Bevor wir die Gelegenheit hatten noch einmal in die Stadt zu gehen und dort hängen zu bleiben, nahmen wir eine andere Abzweigung und folgten der Straße bis nach Freilassing. Dort gab es einen kostenlosen Stellplatz für die Nacht, Abendbrot, eine geballte Ladung Kartenspielerei und ein Hörbuch zum Einschlafen. Morgen verlassen wir Deutschland abermals, morgen steht Salzburg auf dem Plan.

Impressionen des Tages:
Ein grandioser Tag im Berchtesgadener Land!
Genau so sieht's aus! :)

Montag, 1. August 2016

Berchtesgaden - du Stück!

Tag 18

Früh morgens waren die Scheiben blickdicht beschlagen, die fressende Bergfrische hatte sich fest an die Außenseite der Fenster gepresst und wartete darauf, dass wir die Türen öffnen würden, damit sie sich auf unseren verschlafenen Gliedern ablegen und uns unsanft wach machen könnte. Wir ergaben uns und ließen uns und tauschten unsere warme, gemütliche Schlafhöhle gegen die überströmende frische Morgenluft. Bald kam uns die Sonne zur Hilfe und nahm der Morgenfrische ihre Kraft, der Tag begann.

Die erste Amtstat des Tages führte uns zu der kleinen Bäckerei, in der wir Kaffee, Tee und jeder ein Stück Kuchen und ein belegtes Brot für später bestellten. Das war lecker, tat gut und gab treibende Kraft. Die Damen hinter dem Tresen, in feinsäuberlicher Arbeitskleidung und Schürze, zurechtgemacht und sehr gepflegt, waren bereits jetzt schon quirlig und bestens gelaunt, tratschten mit einem alten einheimischen Herrn, der seinen ebenso alten Dackel im Schlepptau hatte. Sie schienen sich über die neuesten Geschehnisse und Gerüchte der kleinen Gemeinde auszutauschen und legten dabei eine wilde Gesichtsgymnastik aufs Parkett. Ihnen zuzusehen war lustig und schön, denn hier war die Welt noch wirklich in Ordnung. Nun aber genug der Rumsitzerei, jetzt wollten wir uns das Schmuckstück Berchtesgaden doch einmal richtig anschauen. Wir starteten mit einer Besichtigung des Salzbergwerks.

Ich erinnere mich noch, dass ich vor gut 10 Jahren schon einmal hier war, damals mit meinen Eltern. Das Bergwerk hatte sich an und für sich nicht großartig verändert, zumindest nicht für ein ungeschultes Auge wie das meine. Doch war es ein wenig modernisiert worden, aber das konnte man ihm nicht verübeln. Nach einer kurzen Wartezeit durften wir den Eingang passieren und an der Kleiderausgabe unsere Overalls abholen. Genormt und uniformiert standen wir da mit einer riesigen Gruppe aus anderen Besuchern und warteten darauf, dass der Zug heranfuhr, um uns in die 12 Grad kühlen Stollen zu bringen. Als er kam, wurden die einzelnen Sitzwagongs mit uns Eintags-Bergmännern und -frauen beladen und jeweils ein Gruppenfoto von jedem Abschnitt des Zuges gemacht. Wir waren Abschnitt 4 und schmunzelten bereits bei den vorherigen 3 Malen "Kuck Kuck" rufen der Fotografin. Doch beim letzten Wagon kuckuckte Danilo lauthals mit. Die Fotografin warf ihm einen scharfen Blick zu und spitze die Lippen, doch der ganze Zug lachte sich schlapp über die Einlage.

Dann aber ging es los, ein mehrminütiger Ritt durch einen schmalen Schacht führte uns in das Innere des Bergwerks. Unser Guide war noch recht jung aber verstand seine Sache sehr gut und führte uns mit viel Input, Ton und Lichteffekten, 2 Rutschpartien und einer Salzkostprobe aus dem Spiegelsee durch das Bergwerk. Nach einer Stunde waren wir gewillt unsere Bergmannskluft wieder abzulegen und den Weg für die nächste Truppe frei zu machen. Beim Verlassen des Bergwerks rief noch einmal jemand laut "Kuck Kuck" hinter uns her. Es war ein Mann mit seinem Sohn auf dem Arm, der sich immer noch nicht über Danilos Vogellaut einbekommen hatte.

Nach all der Aufregung hatten wir plötzlich Appetit bekommen und schlenderten nochmals durch Berchtesgaden, konnten uns aber nicht davor retten einem riesigen Teller Krustenbraten, Knödl und Blaukraut zu verfallen. Dazu gab es sogar noch ein spritziges Radler. Welch Sünde!
Die Bäuche hingen uns knapp über dem Boden, als wir das Restaurant verließen. Dagegen mussten wir etwas tun. Also suchten wir Flip auf und fuhren an den Königssee, um dort eine Runde Ruderboot zu fahren.

Danilo meinte ja, dass er das schon einmal gemacht hätte, und startete den Versuch aus dem Bootshaus heraus zu rudern. Dabei drehte er sich mehrmals willkürlich im Kreis. "Schon mal gemacht" - na klar! Nach ein paar wilden Fuchteleien hatte er den Dreh dann doch raus und fuhr uns auf den See hinaus. 


Das Wetter wollte sich nicht mehr bessern. Die fetten Wolken hatten sich am blauen Himmel festgesaugt und machten auch keine Anstalten ihre Position in den nächsten Stunden auch nur um einen Zentimeter zu ändern. Da sie aber keine Regentropfen auf die Erde hinabwarfen, sollten sie uns nicht weiter stören. Auf der Mitte des Sees versuchte auch ich einmal mein Glück mit dem Rudern, doch ich merkte schnell, wer hier mehr Kraft hatte und gab nach nur 10 Minuten freiwillig wieder ab. 
erst etwas zarghaft, dann aber klappte es ganz gut
Hauuuuuu...rruck!! 

Exakt eine Stunde später kehrten wir zurück in den Heimathafen und gaben das Ruderboot wieder in sichere Hände.

Nach der körperlichen Betätigung wollten wir nun unser Hirn ein wenig anstrengen und überlegten nun, wie es weitergehen sollte. Wir hatten nun nur noch 3 Tage, bis wir wieder zu Hause sein müssten. Knapp 600 Kilometer und unzählige Sehenswürdigkeiten, schöne Fleckchen, interessante Städte, Seen und Wanderwege trennten uns davon. Nun war Geschick und Entscheidungsfindung gefragt. Immerhin waren wir uns in einem Punkt schlagartig einig: Wir würden Berchtesgaden heute nicht mehr verlassen.

Um uns herum waren so viele sagenhaft schöne Berge zu sehen, wie könnten wir sie nicht bewandern? Das war also der Plan für morgen. Das Gebiet um den 2713m hohen Watzmann herum war unsere Wahl. Nun mussten wir nur noch den heutigen Tag abschließen. Aufgrund des mäßig warmen Wetters waren wir etwas eingefroren und da kam es uns doch gelegen, dass Berchtesgaden eine Therme im Angebot hat. Dort könnten wir uns aufwärmen und obendrein eine lange, ausgiebige Dusche genießen. Das machen wir! Und Leute, es war so herrlich! Wir verbrachten 2 Stunden in der gläsernen Oase bis wir erholt und müde, frisch und glücklich aus der Watzmann Therme herausstolzierten. Zur Feier des Tages versuchten wir Danilos monströsen Bartwuchs mit dem Taschenmesser in eine Form zu schneiden. Witzig war es allemal, aber ob es wirklich was gebracht hat?



Am Abend wollten wir noch nicht all zu früh die Kojen beziehen, also kehrten wir noch einmal zurück in den Ort, der um diese Zeit sehr belebt war. Irgendetwas gab es zu feiern und wir würden gleich mitten dabei sein. Zumindest holten wir uns einen sauber geblasenen Marsch der Blaskapelle Maria Gern ab und passten unseren Gang der stimmungsvollen Musik an. Lange hielten wir allerdings nicht mehr durch und so kam es, dass wir auf dem Parkplatz der Therme, ganz hinten im Eck unser Schlafquartier errichteten und kurz vor Mitternacht in einen tiefen Schlaf fielen.

Sonntag, 31. Juli 2016

1 Tag, 4 Länder

Tag 17

Die Augen petzen sich scharf zu kleinen Schlitzen zusammen, während der Mund sich weit öffnet, um erst einen gewaltigen Atemzug zu nehmen und anschließend die verbrauchte Luft aus den Lungen zu pusten. Dabei recken und strecken sich die eben noch so regungslosen arme in der frischen, aufheizenden Sommerluft. Ein Morgen, wie er sein muss. Der letzte Sand wird aus den Augen gerieben, die Gegend begutachtet und sich an der schönen Umgebung erfreut. Die Blätter an den Bäumen rascheln in einem milden Windhauch. Auf einmal kommt ein Danilo um die Ecke, er ist gut gelaunt und hält etwas in der Hand. 2 Bäckertüten mit köstlichem Allerlei. Ach ja richtig, wir sind ja noch auf Reisen.

In Wirklichkeit hoben wir uns die Leckerbissen auf und nahmen ein ausgezeichnetes Frühstück im nahe gelegenen Restaurant ein. 
Und anschließend gingen wir an den See zum Frühbaden. 

Das Wasser war noch ein ganzes Stück kälter als gestern, aber die Erfrischung nicht zu toppen. Zudem war es noch sehr leer, doch mit der Zeit füllte sich die Wiese mit kleinen und großen Familien, jungen Pärchen und Sportbegeisterten. Trotz der Menschentraube, die sich auf dem überschaubaren Platz am See ausbreitete, war es stets angenehm ruhig. Hier verstand man andere Leute Ruhe zu respektieren und zu wahren. Ein großer Pluspunkt für die Location! Wer ruhen wollte, der lag auf der Wiese, wer Wasserspaß wollte, der begab sich ins kühle Nass, wer Hunger bekam, suchte das wenige Meter entfernte Büdchen oder das dahinter gelegene Restaurant auf, wer Hummeln im Po hatte, konnte Besichtigungen machen, Kajak oder Kanu fahren, Rudern, Paddeln, Angeln, Wandern, Radfahren, die Möglichkeiten waren schier endlos. Und das ist wohl auch das Erfolgsgeheimnis dieser beliebten Urlaubsorte - jeder macht das, worauf er Lust hat. Wieder wurde es Mittag und wieder mussten wir etwas tun, um unseren Tatendrang zu stillen. Ab ins Auto und weiter geht's!

Wir verließen Slowenien und fanden uns in Italien wieder. In Raibl/Cave del Predil gab es eine, für mich, ganz besondere Attraktion zu bestaunen - den Raibler See/Lago del Predil. Schon oft genug und auch besonders im Laufe dieses Roadtrips wurde ich belehrt, dass es ländertypische, einzigartige geologische Meisterwerke tatsächlich aber mehrfach und überall auf der Welt gibt. Der Raibler See war für mich einmal wieder die Bestätigung dafür. Wer könnte bei diesem Anblick schon sagen, auf welchem Kontinent oder gar in welchem Land dieser Erde er sich gerade befindet?



hier, an einem Ort wie diesem, schmeckt ein Blaubeermuffin am besten! ...und eine Banane wohl auch

Der dichte, dunkle Nadelwald, gepaart mit Laubbäumen und Sträuchern gab der Gegend eine mystische Atmosphäre. Das grün-blaue, in die Tiefe gehende, glasklare Wasser, das so brach und kühl im Tal der Berge lag, fühlte den Ort mit etwas lebendigem und verlieh Frische und Reinheit. Ganz im Gegensatz zu dem stillgelegten, verlassenen, alten Bergwerk, das eher einen gespenstischen Eindruck machte. Doch das verschwand für den Moment in den Bergschluchten. Das Gemisch aus Kies und Sand gab dem See einen passenden Kontrast und spannende Pfade, die entdeckt werden wollten. Die massiven, ja gewaltigen Berge, die einfach so wie Giganten aus dem Boden empor ragten, legten einen drückenden, aber abenteuerlichen und wundervollen Charme über die Gegend. Wie sie da standen und ihre Gipfel hin und wieder von leichtem Dunst verschleiert wurden. Irgendwie fühlte ich mich sicher und geschützt zwischen ihnen. Die weite, aufgeschüttete Insel in mitten des Sees war bestückt mit kahlen Flächen, ebenso wie mit dichtem Wäldchen und weichen, hölzernen Wegen darin.



Man könnte hier wohl auf spannende Entdeckungstour gehen, doch dazu kam es leider nicht, da sich die Wolken türmten und bald die ersten, dicken Regentropfen auf unsere heißen, sonnengebräunten, nackten Schultern tropften. 
Auch wenn es ein kurzes Vergnügen war, so war es auch Liebe auf den ersten Blick und eines unserer geistigen Errungenschaften, die wir uns im Hinterkopf behalten, um eines Tages, mit mehr Zeit und gutem Wetter zurückzukehren.

Die Wolkendecke wurde dichter und dunkler, sodass wir versuchten aus der "Nasszelle" zu entkommen und fuhren gen Norden, wo es zumindest vorrübergehend besser aussah.
Zack, schon wieder hatten wir eine Ländergrenze passiert und standen nun in Österreich. Nun überlegten wir, wie es weitergehen sollte, und wo wir unseren heutigen Endpunkt setzen wollten. Nach ausgiebiger Berücksichtigung aller Gegebenheiten entschlossen wir uns für einen Höllenritt bis in die Nacht hinein, doch wir wollten nach all den Bergblicken endlich Wandern gehen und fuhren strikt durch bis nach Deutschland und Land 4 am heutigen Tage, um uns in Berchtesgaden niederzulassen.

Auf dem Weg hatten wir noch eine minder nette Begegnung mit einem Jäger. Der Weg nach Berchtesgaden war an einer Stelle gesperrt, sodass wir eine ellenlange Umleitung abfahren mussten, die uns durch die tiefste Walachei führte. Gerade kamen wir über eine Kuppe, als ich sagte "Schau mal, der hat sich bestimmt auch verfahren" und deutete dabei auf einen kleinen Wagen, der irgendwo auf einem Feldweg stand. Als wir dem Auto näher kamen, sahen wir, dass der Fahrer draußen stand, mit dem Oberkörper auf der Motorhaube abgelehnt und ein Gewehr in den Händen. Sein Lauf zielte auf die Straße, die wir in wenigen Sekunden entlangfahren würden. In Eile verfolgte ich seine Schussrichtung und erblickte auf der anderen Seite auf der Wiese am Waldesrand ein armes, unschuldiges Reh, das gerade sein Abendessen einnahm und vergnügt auf ein paar Grashalmen herumkaute. Panisch schrie ich auf und wir kamen zum Stehen. Das irritierte das Reh uns es blickte auf. Wir blickten das Reh an, dann blickten wir den Jäger an. Er hatte die Kugel noch nicht abgefeuert. Der Jäger sah uns an. Er war zu weit weg, als dass wir sein Gesicht gesehen hätten, doch es war uns schon klar, dass wir ihm gerade seine Beute streitig gemacht hatten. Er gab uns mit einem heftigen Wink zu verstehen, dass wir weiterfahren sollten. Das taten wir auch, das Reh hingegen blieb wie angewurzelt stehen, bis wir an ihm vorüber gefahren waren und beobachtete uns angespannt. Es ahnte schon, dass hier etwas mächtig stank. Ich getraute mich nicht einen Blick zurück zu werfen. Viel zu groß war die Angst das Tier fallen zu sehen. Danilo fuhr sehr langsam, sodass wir den Schuss hätten hören können, doch es fiel keiner. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit hatten wir dem braunen, flauschigen Knäul mit den großen Augen das Leben gerettet und stellten uns vor, wie es nun weiter fröhlich im Wald umhersprang. Wir fuhren weiter unserem Ziel entgegen.

Dort kamen wir spät in der Nacht an, ohne Plan und Idee, wo wir bleiben sollten. Doch nach näherer Betrachtung schoben wir Flip ein paar Höhenmeter nach oben und fanden Rast und Rat auf dem Obersalzberg, der uns als Ruheort dienen sollte.